| Nach einem langen und erfüllten Leben ist der Ehrendoktor  der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig Prof. Kurt Tittel am  20. August 2016 kurz nach Vollendung seines 96. Lebensjahres verstorben. Kurt Tittel wurde am 19. Juli 1920 in Lübeck geboren. 1936  zog seine Familie nach Leipzig, wo er 1938 das Abitur ablegte und Medizin  studierte. Noch vor Kriegsende konnte er das Studium abschließen und zum Dr.  med. promovieren. 1945 bis 1948 absolvierte er eine chirurgische Ausbildung am  Elisabeth-Krankenhaus in Leipzig und übernahm danach bis 1950 die Leitung des Stadtkrankenhauses  in Markranstädt. Damals wurden die ersten Weichen gestellt für die  Sportmedizin, die Kurt Tittels weiteres Leben bestimmen sollte. Angeregt durch  die Teilnahme an einer akademischen Turnlehrerausbildung am Institut für  Leibesübungen unter Prof. Altrock richtete er am Stadtkrankenhaus Markranstädt  eine sportärztliche Sprechstunde ein. In diese Zeit fällt auch der Beginn  seiner ärztlichen Betreuertätigkeit, zunächst im Fußball bei der Sachsenauswahl  unter dem Trainer Helmut Schön und im Radsport. Die Betreuung der Radsportler  wurde 1955 von Siegfried Israel übernommen. Nachdem gesundheitsbedingt seine bis dahin hauptberufliche Tätigkeit  als Chirurg nicht mehr möglich war, stand für Kurt Tittel der Wechsel in die  Sportmedizin fest. Im Oktober 1950 folgte er dem Ruf an die zu diesem Zeitpunkt  gegründete Deutsche Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig und begann  mit dem Aufbau einer Hauptabteilung Sportmedizin mit sportärztlicher Ambulanz.  1951 holte er am Sport interessierte Ärzte zu einer ersten Zusammenkunft nach  Leipzig und rief mit Hilfe der Universität die ersten  14-Tage-Sportärztelehrgänge ins Leben. Daneben betreute er über zwei Jahrzehnte  Club- und Nationalmannschaften im Handball. Kurt Tittels Überzeugung, dass die Entwicklung des  interdisziplinären Faches Sportmedizin nur bei fester Anbindung an die  Mutterwissenschaften der Medizin erfolgreich sein kann, kommt in den Etappen  seiner wissenschaftlichen Laufbahn zum Ausdruck. So nahm er neben seinen  vielfältigen Aufgaben auf sportmedizinischem Gebiet von 1957 bis 1964 auch die  Funktion eines Oberarztes am Anatomischen Institut der  Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg unter Joachim-Hermann Scharf wahr.  Er erwarb 1961 die Facharztanerkennung für Anatomie und habilitierte sich 1963  mit dem Thema „Funktionelle Anatomie und Biotypologie des Leistungssportlers“. Es  folgten 1964 die Anerkennung als Facharzt für Sportmedizin und die Berufung auf  die Professur mit Lehrauftrag für Anatomie an der DHfK. 1969 übernahm er den  Lehrstuhl für funktionelle Anatomie, den er bis zu seiner Emeritierung 1986  innehatte. Er leitete viele Jahre das Institut für Sportmedizin und das diesem angeschlossene  Rehabilitationszentrum in Kreischa. An der Universität Leipzig wurde er zum  Mitglied der Medizinischen Fakultät gewählt. Kurt Tittels wissenschaftliche Leistungen, die in fast 500  Publikationen ihren Niederschlag fanden, bezogen sich vorrangig auf die  Anatomie, auf Fragen der sportärztlichen Betreuung und Traumatologie sowie auf  die Adaptationen an körperliche Belastungen. Seine Arbeiten zur Adaptabilität  des Stütz- und Bewegungsapparates sind sowohl aus medizinischer wie  sportwissenschaftlicher Sicht richtungsweisend und von hoher Wirksamkeit in der  Sportpraxis. International bekannt wurde er als Autor der 1956 erstmals und bisher  in 15 deutschsprachigen und mehreren fremdsprachigen Auflagen erschienenen  „Beschreibenden und funktionellen Anatomie des Menschen“. Daneben bleibt Kurt  Tittel Generationen von Studenten der Medizin und Sportwissenschaft als  passionierter Hochschullehrer im Gedächtnis. Nicht zuletzt hat seine brillante  Fähigkeit der anschaulichen Vermittlung des heute allgemein anerkannten räumlich-zeitlichen  Zusammenwirkens von Einzelmuskeln bei der Ausführung von sportartspezifischen Bewegungen  zum Siegeszug des funktionellen Denkens auf diesem Fachgebiet beigetragen.   Seine fachliche Kompetenz und seine Ambitionen als Mediziner  für den Sport wiesen Kurt Tittel als prädestiniert für zahlreiche nationale und  internationale Gremien der Sportwissenschaft aus. Er war langjähriges Mitglied  des Exekutiv-Komitees und Leiter der Wissenschaftskommission der FIMS sowie  Mitglied im Publishing Advisory Commitee des IOC. Als Mitherausgeber des  „Olympic Book of Sports Medicine“ und des FIMS-Journals „The World of Sports  Medicine“ hat er die deutsche Sportwissenschaft auf internationaler Ebene  repräsentiert. Sein Engagement beim Aufbau der Sportmedizin in Kuba, Vietnam  und Indien trugen zur internationalen Anerkennung Leipzigs als einer der  führenden Stätten der Sportwissenschaft bei. Kurt Tittels Verdienste für die Sportmedizin und  Sportanthropologie wurden national und international gewürdigt. So wurde er u.  a. mit dem Philip-Noel-Baker-Forschungspreis, dem Wissenschaftspreis der  Sportakademie der USA und dem Wissenschaftspreis des IOC ausgezeichnet und mit  Mitgliedschaften in zahlreichen Gesellschaften der Sportmedizin und  Physiotherapie geehrt. 1996 wurde ihm die Ehrendoktorwürde an seiner heimischen  Wirkungsstätte, der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig,  verliehen. Die 30 Jahre nach seiner Emeritierung im Jahr 1985 waren für  Kurt Tittel alles andere als Ruhestand. Wie eh und je war er auf dem Gebiet der  Sportmedizin wissenschaftlich aktiv. Er hielt zahlreiche Vorträge und Gastvorlesungen  im In- und Ausland, überarbeitete die Auflagen seines erfolgreichen Lehrbuchs  und publizierte weiterhin. Er war Mitglied in Redaktionskollegien, Mitherausgeber  der „Sportmedizinischen Schriftenreihe“ und Schriftleiter der Zeitschrift „Die  Säule“. Gemeinsam mit Wildor Hollmann hat er die 2008 erschienene „Geschichte  der deutschen Sportmedizin“ verfasst. Unter seiner wissenschaftlichen Leitung  fanden die interdisziplinären Wirbelsäulenkongresse in Leipzig statt. Das Lebenswerk Kurt Tittels zu würdigen, heißt den Mediziner  und den Hochschullehrer gleichermaßen zur Geltung zu bringen. Er war als Arzt,  der er immer geblieben war, auch ein Lehrer mit außergewöhnlichen  hochschulpädagogischen Fähigkeiten, der geradezu leidenschaftlich in der  Ausbildung der Medizin- und insbesondere Sportstudenten gewirkt hat. Er  vermochte die angehenden Sportlehrer und Sportwissenschaftler davon zu  überzeugen, dass die Sportmedizin für ihren Beruf von höchstem Stellenwert ist.  Seine Persönlichkeit und sein Pflichtbewusstsein sowie seine von  eindrucksvoller Gestik begleiteten Vorlesungen und Vorträge hinterließen einen  nachhaltigen Eindruck, der nach Jahrzehnten bei seinen früheren Studenten und  Zuhörern spontan gegenwärtig ist und unvergesslich bleiben wird. |